Informations- und Begegnungsfahrt nach Schlesien

Die Baye­ri­sche Dele­ga­ti­on beim Tref­fen mit dem DFK-Vor­sit­zen­den in der Woi­wod­schaft
Schle­si­en, Mar­tin Lip­pa (1. v.r.), in Lubowitz

Am Sams­tag, 29. Juli, mach­ten sich vier alt­baye­ri­sche Schle­si­er von Mün­chen und vier frän­ki­sche Schle­si­er von Erlan­gen aus auf den Weg nach Gör­litz, um von dort mit einem Klein­bus zu einer gemein­sa­men Infor­ma­ti­ons- und Begeg­nungs­fahrt zur deut­schen Min­der­heit nach Schle­si­en zu starten.

In Gör­litz traf die Grup­pe unter der Lei­tung von Dr. Gott­hard Schnei­der, Lan­des­vor­sit­zen­der der Lands­mann­schaft Schle­si­en in Bay­ern, mit Alfred Thei­sen zusam­men, dem Her­aus­ge­ber der Zeit­schrift „Schle­si­en heu­te“, der seit der Wen­de in Gör­litz lebt und arbei­tet. Er konn­te uns in einem über drei­stün­di­gen Gespräch wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen zur Situa­ti­on der Deut­schen in Schle­si­en mit­ge­ben und vie­le unse­rer Fra­gen kom­pe­tent beant­wor­ten. Über ihn lief auch die Buchung von Bus und Hotels.

Von Gör­litz ging es über Lie­gnitz mit der wun­der­schö­nen Kir­che St. Peter und Paul und Jau­er mit der zum UNESCO-Welt­kul­tur­er­be gehö­ren­den Frie­dens­kir­che wei­ter nach Bres­lau, wobei Dr. Schnei­der uns hier wie auf der gesam­ten Fahrt stets sach­kun­di­ge Erläu­te­run­gen und Infor­ma­tio­nen zu den ein­zel­nen Orten gab. Dort tra­fen wir uns mit der Vor­sit­zen­den der Deut­schen Min­der­heit Kry­sty­na Kad­le­wicz. Von Anfang an, seit 1990 macht sie bei der Deut­schen Sozi­al-Kul­tu­rel­len Gesell­schaft mit, war 20 Jah­re im Kul­tur­aus­schuss tätig und lei­tet seit fünf Jah­ren die Gesell­schaft in Bres­lau. Sie schil­der­te uns sehr aus­führ­lich die gegen­wär­ti­gen Pro­ble­me der Deut­schen Min­der­heit in Bres­lau. Das Gespräch wur­de tags dar­auf in der Gün­t­her­stra­ße, dem Haus, das von der Deut­schen Min­der­heit genutzt wer­den kann, fort­ge­setzt. Dort tref­fen sich die Mit­glie­der und auch deren Kin­der zu Deutsch­kur­sen und zu den ver­schie­de­nen Ver­an­stal­tun­gen im Jahreskreislauf.

Fer­ner fuhr die klei­ne baye­ri­sche Dele­ga­ti­on von Bres­lau aus zum von der Deut­schen Kriegs­grä­ber­für­sor­ge ange­leg­ten Sol­da­ten­fried­hof nach Groß Näd­litz und gedach­te dort der in Ober- und Nie­der­schle­si­en gefal­le­nen deut­schen Sol­da­ten. Cir­ca 20.000 Sol­da­ten lie­gen hier begra­ben. Wir leg­ten ein Gebin­de in Schle­si­schen Far­ben mit Kranz­schlei­fen am zen­tra­len Gedenk­kreuz nie­der. Auch der jüdi­sche Fried­hof in Bres­lau war unser Ziel, wo wir Grä­ber von bekann­ten jüdi­schen Bür­ge­rin­nen und Bür­gern Bres­laus auf­such­ten, etwa von Fer­di­nand Lass­alle oder von Augus­te Stein, der Mut­ter von Edith Stein.

Tags dar­auf, am 1.8., ging es über Ohl­au und Brieg, wo jeweils die Zen­tren mit Rat­haus, Kir­che und Schloss besich­tigt wur­den, wei­ter nach Oppeln, der Haupt­stadt der frü­he­ren Pro­vinz Ober­schle­si­en und der jet­zi­gen gleich­na­mi­gen Woi­wod­schaft. Dort besuch­ten wir das neue Aus­stel­lungs- und Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum der Deut­schen in Polen, des­sen Auf- und Aus­bau vom BMI finan­ziert wur­de, wäh­rend der lau­fen­de Betrieb von der Woi­wod­schaft getra­gen wird. Nach einer sehr kom­pe­ten­ten und umfas­sen­den Füh­rung durch die sehr modern und besu­cher­freund­lich gestal­te­ten Aus­stel­lungs­räu­me wur­den wir anhand einer Power-Point-Prä­sen­ta­ti­on von Johan­na Hassa, der Geschäfts­füh­re­rin des Ver­ban­des der Deut­schen Min­der­heit, über die gegen­wär­ti­ge Situa­ti­on vor allem zum The­ma Bil­dung und Deutsch­un­ter­richt infor­miert. Bekannt­lich wur­de der Deutsch­un­ter­richt für rund 55.000 Kin­der der Deut­schen Min­der­heit in dis­kri­mi­nie­ren­der Wei­se durch die pol­ni­sche Regie­rung von drei auf eine Stun­de redu­ziert, wäh­rend die Spra­chen der ande­ren Min­der­hei­ten in Polen wei­ter­hin mit drei Stun­den unter­rich­tet wer­den. Durch außer­schu­li­sche Maß­nah­men, finan­zi­ell unter­stützt durch die Bun­des­re­gie­rung, wird ver­sucht, einen Teil des redu­zier­ten schu­li­schen Unter­richts auf­zu­fan­gen. Ins­ge­samt gibt es rund 480 Orts­ver­bän­de der deut­schen Min­der­heit in Polen mit einem ein­deu­ti­gen Schwer­punkt in der Woi­wod­schaft Oppeln.

Dank einer Erb­schaft, die die Lands­mann­schaft in Bay­ern durch Ver­mitt­lung des lang­jäh­ri­gen Vor­sit­zen­den, Chris­ti­an Kuz­nik, von einer Schle­sie­rin erhal­ten hat, konn­ten wir Frau Hassa für einen neu­en Kin­der­gar­ten in Chronstau 1.000 € für die Anschaf­fung von Möbeln und Spiel­sa­chen übergeben.

Am nächs­ten Tag besuch­ten wir die Grund­schu­le der deut­schen Min­der­heit in Cosel-Rogau, die von der Bil­dungs­ge­sell­schaft Cosel-Rogau getra­gen wird. Das war die ers­te Schu­le die­ser Art in Schle­si­en, die in der Anfangs­zeit auch viel Hil­fe von den Abge­ord­ne­ten des Baye­ri­schen Land­tags, Peter Win­ter und Josef Zell­mei­er, erfuhr. Dort erhal­ten rund 130 Schü­ler fünf Stun­den pro Woche Deutsch­un­ter­richt über die acht Schul­jah­re hin­weg. In die­ser gut geführ­ten Schu­le herrscht ein aus­ge­spro­chen gutes lern­för­dern­des Kli­ma in Klas­sen mit höchs­tens 20 Schü­lern, so dass eine indi­vi­du­el­le päd­ago­gi­sche För­de­rung mög­lich ist. Dank der erwähn­ten Erb­schaft konn­ten wir der Schu­le 3.000 € übergeben.

Wei­ter ging es zu Eichen­dorff nach Lubo­witz. Dort tra­fen wir in dem auch mit Mit­teln des Frei­staa­tes Bay­ern errich­te­ten Bil­dungs­zen­trum Mar­tin Lip­pa, den Vor­sit­zen­den der Deut­schen Min­der­heit in der Woi­wod­schaft Schle­si­en sowie über­ra­schen­der­wei­se den lang­jäh­ri­gen Vor­sit­zen­den der Lands­mann­schaft der Ober­schle­si­er (LdO) in Bay­ern Dami­an Schwi­der, der zur­zeit in sei­ner Hei­mat­stadt Hin­den­burg OS lebt, sowie Adri­an Sobek, den Vize­prä­si­den­ten von Haus Schle­si­en. Lip­pa unter­rich­te­te uns über die Situa­ti­on der Deut­schen Min­der­heit in sei­ner Woi­wod­schaft, die rund fünf Mil­lio­nen Ein­woh­ner hat und wo die Deut­schen natür­lich eine spür­bar klei­ne­re Min­der­heit bil­den als in der Woi­wod­schaft Oppeln, die gut 1 Mil­li­on Ein­woh­ner hat. Die deut­sche Min­der­heit ist bestrebt, das Eichen­dorff-Zen­trum zu einer Art Land­schul­heim wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, in das dann Schul­klas­sen aus der Woi­wod­schaft für eine Woche nach Lubo­witz kom­men. Auch Mar­tin Lip­pa konn­ten wir 3.000 € für zwei Schu­len mit erwei­ter­tem Deutsch­un­ter­richt in Rati­bor-Stu­den und in Gre­gors­dorf übergeben.

Auf dem Pro­gramm am nächs­ten Tag, den 3.8., stand der Besuch der Grund­schu­le des Ver­eins Pro Libe­ris Sile­siae in Oppeln-Mali­no. Die­se Schu­le unter­rich­tet nach dem Kon­zept der Montesso­ri-Päd­ago­gik, um so die Ent­wick­lung der Kin­der zu unter­stüt­zen und ihnen Mut und Selbst­ver­trau­en in die eige­nen Kräf­te zu geben. Auch hier wer­den die rund 120 Kin­der in acht Klas­sen in klei­nen Grup­pen unter­rich­tet. Der Unter­richt selbst erfolgt über den Deutsch­un­ter­richt hin­aus auch in ande­ren Fächern zwei­spra­chig in Deutsch und Pol­nisch. Neben der Schu­le gibt es einen Kin­der­gar­ten mit 60 Kin­dern. Die Nach­fra­ge für die­se Schu­le ist so groß, dass gar nicht alle Kin­der auf­ge­nom­men wer­den kön­nen, zum Teil kom­men Kin­der aus bis zu 20 km Ent­fer­nung in die­se Grund­schu­le, weil sie so einen guten Ruf auch in der pol­ni­schen Mehr­heits­be­völ­ke­rung genießt.

Der größ­te Wunsch des Ver­eins, der auch in Raschau und Gut­ten­tag nach die­sem Kon­zept Grund­schu­len gegrün­det hat, ist die Grün­dung eines Lyze­ums in Oppeln für die Jahr­gangs­stu­fen neun bis zwölf, um so die Schü­ler bis zum Abitur füh­ren zu kön­nen. Auch an die­ser Schu­le konn­ten wir 3.000 € zum wei­te­ren Aus­bau der Schu­le übergeben.

Letz­ter offi­zi­el­ler Pro­gramm­punkt war das Geden­ken an die Toten in Lams­dorf. In dem dor­ti­gen ehe­ma­li­gen Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­ger wur­den 1945/1946 die Deut­schen aus der Umge­bung, im Wesent­li­chen aus dem Land­kreis Fal­ken­berg, inter­niert. Durch Ter­ror und Schi­ka­nen sei­tens der pol­ni­schen Lager­lei­tung sowie durch Hun­ger und Krank­heit kamen rund 1.800 Deut­sche ums Leben. Die deut­sche Min­der­heit hat dort ein Gedenk­kreuz errich­tet und Tafeln mit den Namen der Toten und Ermor­de­ten auf­ge­stellt. Wir gedach­ten der Toten im Gebet und mit der Abla­ge eines Gebin­des mit Schlei­fen. Anschlie­ßend konn­ten wir uns in einem klei­nen Muse­um, in dem eine Rei­he von deut­schen Zeit­zeu­gen­be­rich­ten aus­ge­stellt ist, über die­sen furcht­ba­ren Ort 1945/46 informieren.

Zurück ging es am nächs­ten Tag von Oppeln über Wal­den­burg, Lan­des­hut, Hirsch­berg (Besich­ti­gung der Gna­den­kir­che) und Lau­ban nach Görlitz.

Fazit: Die­se Begeg­nungs­fahrt hat uns neue, aktu­el­le Infor­ma­tio­nen über die Situa­ti­on der Deut­schen Min­der­heit in Polen, über den Deutsch­un­ter­richt, über die Schu­len in Trä­ger­schaft von deut­schen Ver­ei­nen und über­haupt über das Zusam­men­le­ben von Deut­schen und Polen in Schle­si­en ver­mit­telt. Die deut­sche Min­der­heit ist heu­te mehr denn je auf den Zuspruch und auf die Unter­stüt­zung aus Deutsch­land ange­wie­sen, von der Bun­des­re­gie­rung über die Lan­des­re­gie­run­gen bis hin zu den schle­si­schen Lands­mann­schaf­ten und der deut­schen Bevöl­ke­rung ins­ge­samt. Unse­re Dele­ga­ti­on hat ver­sucht, dem nach­zu­kom­men und das Erbe des ver­stor­be­nen Part­ner­schafts­re­fe­ren­ten Joa­chim Lukas wei­ter zu füh­ren. Wir von der Lands­mann­schaft Schle­si­en in Bay­ern wer­den nach unse­ren Kräf­ten auch wei­ter­hin die Deut­schen in Schle­si­en unterstützen.

Unser Dank gilt dem Haus des Deut­schen Ostens in Mün­chen, das unse­re Begeg­nungs­fahrt geför­dert hat, und natür­lich auch Chris­ti­an Kuz­nik für die Ver­mitt­lung des Erbes der Schle­sie­rin Mari­an­ne Mül­ler, damit wir in die­sem Umfang Schu­len und Kin­der­gär­ten der Deut­schen Min­der­heit unter­stüt­zen konnten.

Teil­ge­nom­men an die­ser Begeg­nungs­fahrt haben: Der Vor­sit­zen­de der Lands­mann­schaft Dr. Gott­hard Schnei­der, sei­ne Frau Ursu­la, Geschäfts­füh­rer und Stell­ver­tre­ter Karl Bie­der­mann, Schatz­meis­te­rin Chris­tia­ne Bie­der­mann, stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der Wer­ner Baum, Kul­tur­re­fe­rent Uli Moll, Vor­sit­zen­der des Kura­to­ri­ums Wil­fried Schrö­ter und Schrift­füh­rer und Pres­se­re­fe­rent Paul Hansel.

Paul Han­sel