100 Jahre Volksabstimmung in Oberschlesien

20. März 1921: Men­schen­men­ge in Oppeln in Erwar­tung der Abstim­mungs­re­sul­ta­te (Foto: Bun­des­ar­chiv Bild 146‑1985-010–10, via Wiki­me­dia Com­mons, CC BY-SA 3.0 de)

Am 20. März 2021 jähr­te sich die Volks­ab­stim­mung in Ober­schle­si­en zum 100. Mal. Wer die dama­li­gen Ereig­nis­se ver­ste­hen will, muss die Geschich­te der deutsch-pol­ni­schen Nach­bar­schaft der letz­ten Jahr­hun­der­te ken­nen. Wohl brach­te der 20. März 1921 einen ein­wand­frei­en deut­schen Abstim­mungs­sieg, aber die Zeit war doch ein sehr trau­ri­ges Kapi­tel der ober­schle­si­schen Geschich­te, ein Bru­der­kampf, der so unend­lich viel Leid und Elend gebracht hat.

Am 07. Mai 1919 über­gab der fran­zö­si­sche Minis­ter­prä­si­dent Clé­men­cau der deut­schen Dele­ga­ti­on in Ver­sailles die Frie­dens­be­din­gun­gen: „Polen erhält ganz Ober­schle­si­en mit eini­gen Gebie­ten Mit­tel­schle­si­ens, die Pro­vinz Posen und Tei­le von West­preu­ßen mit Dan­zig sowie von der Pro­vinz Ost­preu­ßen den Kreis Sol­dau“. Das Hults­chi­ner Länd­chen soll­te der Tsche­cho­slo­wa­kei zuge­spro­chen werden.

Die uner­war­te­te star­ke Abwehr der alt­ein­ge­ses­se­nen deut­schen Bevöl­ke­rung gegen die beab­sich­tig­te Ver­let­zung des Selbst­be­stim­mungs­rech­tes der Völ­ker ver­an­lass­te die Sie­ger­mäch­te zur Durch­füh­rung einer Volks­ab­stim­mung in Ober­schle­si­en. Am 23. Febru­ar 1921 leg­te man den Ter­min der Volks­ab­stim­mung auf den 20. März 1921 fest. Die Abstim­mung war ein Erfolg für die deut­sche Sei­te: 60 Pro­zent stimm­ten für den Ver­bleib bei Deutsch­land und 40 Pro­zent für die Abtre­tung an Polen. Die Behaup­tung vom pol­ni­schen Cha­rak­ter Ober­schle­si­en wur­de widerlegt.

Mit dem Gen­fer Schieds­spruch und dem Beschluss der Pari­ser Bot­schaf­ter­kon­fe­renz vom 20. Okto­ber 1921 wur­de den­noch die Tei­lung Ober­schle­si­ens gegen den Wil­len der Bevöl­ke­rung und Miss­ach­tung des Selbst­be­stim­mungs­rechts fest­ge­setzt und am 15. Mai 1922 durch das Gen­fer Abkom­men für Ober­schle­si­en beschlos­sen. Es war eine arge Ent­täu­schung für das gan­ze deut­sche Volk, beson­ders aber für die Ober­schle­si­er. Am 15. Juni 1922 wur­de die neue Gren­ze mit­ten durch das ober­schle­si­sche Land gezo­gen.  Die Ent­schei­dung und die Grenz­zie­hung wider­sprach jeg­li­chem Rechts­emp­fin­den, jeder rea­len Aus­le­gung des Rech­tes auf Selbst­be­stim­mung der Völ­ker, es war eine Kapi­tu­la­ti­on der inter­na­tio­na­len Wer­te­ge­mein­schaft vor dem Nationalismus.

Am 30. Mai 1922 leg­te der Deut­sche Reichs­tag in einer Son­der­sit­zung durch den Reichs­mi­nis­ter Schif­fer „Rechts­ver­wah­rung gegen die Ent­schei­dung über Ober­schle­si­en“ ein. Der ober­schle­si­sche Abge­ord­ne­te, Tho­mas Szc­ze­po­nik, stell­te in aller Deut­lich­keit fest: „Der Völ­ker­bunds­rat hat den Wil­len der deut­schen Mehr­heit miss­ach­tet und den leben­den Orga­nis­mus Ober­schle­si­ens zerrissen.“